Frankreichreise 2006

24.09.-03.10.2006

Reisebericht

Der Arbeitskreis für Hugenotten- und Waldensergeschichte hatte kürzlich wieder einmal zu einer 9-tägigen Studien- und Informationsreise in die alte Heimat der Vorfahren nach Südfrankreich und Italien eingeladen. Insgesamt 44 Mitglieder und Freunde, die zum Antritt der Reise z.T. sogar aus München, Dortmund, dem Siegerland und Hamburg angereist waren, traten - geweckt durch familiengeschichtliche Bande, aber auch zum Kennen lernen vieler touristischer Sehenswürdigkeiten und geschichtsträchtiger Stätten - die wie in Vorjahren vom 1. Vorsitzenden Gerhard Badouin lange vorbereitete und geleitete Reise an.

Die von Regen begleitete erste Fahrtstrecke führte über Frankfurt, Basel durch die Schweiz entlang des Genfer Sees zunächst in das schöne, alte Städtchen Annecy in Savoyen, wo man am Morgen bei einem "café au lait et croissant" ein erstes französisches Frühstück genießen konnte.

Über Grenoble, Briançon und den berühmten Col d`Izoard gelangte die Gruppe schließlich in das Queyrastal hinauf in die Cottischen Alpen, wo man in Aiguilles das erste Quartier bezog. Von hier aus hatte man nun Gelegenheit, mit dem Besuch der Talorte Abriès und St. Véran, dem mit 2040 m höchstgelegenen Dorf Europas, neben der Verfolgungs- und Leidensgeschichte der Hugenotten auch die alte Heimat vieler "réfugiès" kennen zu lernen, die später nach Schwabendorf, Todenhausen und Wiesenfeld gelangten und dort viele Nachkommen hinterließen. Die bekanntesten Nachkommen aus dem Queyrastal im Marburger Land sind heute die "Badouin" mit ihrem Stammvater Claude Badouin, der aus Aiguilles gebürtig war und sich nach seiner Flucht 1687 mit seiner Familie in Schwabendorf niederließ.

Nach zwei Tagen Aufenthalt führte die Reise vom alpinen Queyrastal durch die Schluchten des Guil weiter in südliche Richtung der Durance folgend vorbei am größten Stausee der Alpen, dem "Lac du Serre Ponçon" in Europas "Grand Canyon", den wildromantischen "Canyon du Verdon". Auf der Höhenstraße "Corniche Sublime" genoss man bei Kaiserwetter von schwindelnden Aussichtspunkten den faszinierenden Blick in die atemberaubenden Tiefen des Verdonflusses. Über die platanengesäumte Route Napoleon - entlang von Lavendelfeldern und Olivenhainen - passierten die Schwabendorfer mit Grasse die "Weltstadt der Düfte" und erreichten am Abend in Viilefranche-sur-Mer und dem Hotel nahe des Stadtzentrums schließlich den zweiten Abschnitt der Reise. Obwohl von einem anstrengen Reisetag leicht ermüdet, ließ man es sich nicht nehmen, den besonderen, reizvollen Charme dieser romantischen Hafenstadt an der Cote d'Azur noch am selben Abend zu entdecken.

In den darauffolgenden Tagen erlebten die Schwabendorfer nun einige herrliche Sonnentage an der an historischen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten so eindrucksvollen azurblauen Küste. Das nahe Fürstentum Monaco beispielsweise mit dem Prinzenpalast und der mittäglichen Wachablösung, das Ozeanografische Museum, Monte Carlo mit Casino und dem exklusiven Yachthafen. Zu den Ausflugszielen gehörte natürlich auch ein Besuch des benachbarten Nizza, der Perle der Cote d`Azur, das erst seit 1870 zu Frankreich gehört. Aber auch die Gelegenheit zu einem Mittelmeerbad in der Bucht von Villefranche nahe des Cap Ferrat nutzten viele Reiseteilnehmer zur Abwechslung.

Drittes und letztes Reiseziel waren schließlich die piemontesischen Bergtäler westlich von Turin, aus denen im 17. Jahrhundert viele Waldenser über die Schweiz nach Hessen flüchteten und viele Nachkommen auch in den ehemaligen Kolonien des Burgwaldes hinterließen. Nach einer Fahrt entlang der Cote d'Azur über Menton und die italienische Riviera wurde die Gruppe in Torre Pellice im "Waldensischen Kulturzentrum" herzlich begrüßt.

Am Reisesonntag konnte die Gruppe in der Waldenserkirche des Zentrums zunächst an einem protestantischen Gottesdienst in französischer Sprache teilnehmen, bevor am Nachmittag mit einer Führung durch die vielen historischen Stätten des nahen Angrognatales die Geschichte der Waldenser - nach dem Lyoner Kaufmann Petrus Waldes benannt - lebendig wurde. Dieses enge, wildromantische Tal war für die piemontesischen Waldenser ein natürlicher Schutz in den Zeiten der Verfolgung. Deshalb liegt hier auch die Barbenschule, in die sich die "Barben" (Laienmissionare) zur Ausbildung und zum Bibelstudium zurückzogen um danach jeweils zu zweit auszuziehen und das Evangelium zu predigen, für Laien im Mittelalter freilich streng untersagt.

Zu Fuß erreichte die Gruppe anschließend das Denkmal von Chanforan, das an die Übersetzung der Bibel und im Jahr 1532 den Anschluss der Waldenserbewegung an die Reformation Schweizer Prägung erinnert. In einer versteckt im Felsengebirge liegenden "Höhlenkirche" erfuhren die Reiseteilnehmer schließlich, dass sich hier die Gemeinde von Angrogna einst heimlich zum Gottesdienst versammelte. Auch soll sie als Zufluchtsort in Zeiten der Verfolgung durch die Gegenreformation gedient haben. Ein abschließender Höhepunkt führte die Gruppe schließlich noch in einem Tagesausflug in das obere Chisonetal, das frühere Val Cluson, um in Mentoulles, Usseaux, Balboutet und in Traverses die alte Heimat der Familien Vinçon, Martin, Brunet, Aillaud, und Moutoux aufzusuchen. Eindrucksvoll war dabei wieder einmal der Besuch des kleinen Bergdorfes Balboutet, wo die zahlreich mitgereisten Nachkommen des vor 300 Jahren nach Schwabendorf geflohenen Daniel Aillaud zu einem "Dorfplausch" mit Einheimischen kamen.

Am Vorabend der Heimreise war man sich einig, wie auch in früheren Jahren eine großartige, unvergessliche Reise voller Sehenswürdigkeiten und Erlebnisse mit Höhepunkten aus Geschichte, Landschaft und Kultur in der alten Heimat der hugenottisch-waldensischen Vorfahren erlebt zu haben.


Die Schwabendorfer Reisegruppe in Torre Pellice, dem Geistlichen Zentrum der Waldenser, Tagungsort der Waldensersynoden, vor dem Denkmal des Waldenserführers und Pfarrers Henri Arnaud

Wie auf der Hinreise begleiteten Regenschauer die Schwabendorfer Reisegruppe mit ihrem souveränen Busfahrer Burkhard Schmitt und Reiseleiter Gerhard Badouin schließlich wieder durch die Schweiz zurück in die Heimat. Alle Reiseteilnehmer, aber auch interessierte Gäste sind am Sonntag, d. 19. November (15 Uhr) zu einer Reisenachlese in das Dorfmuseum in Schwabendorf herzlich eingeladen.

gb

(als pdf)